Anna Thalhammer

Chefredakteurin profil

Germanistik, cultural studies, jiddische Literatur, DDR-Literatur, Wahnsinn in derLiteratur, Judaistik – wenn man sich die Vielfalt der Studienrichtungen von Anna Thalhammer anschaut, wundert es nicht, dass ihre Zeitungsartikel so begeistern und mitreißen. Vom Kurier über die Zeitschrift biber, die Boulevardzeitung Heute und die Zeitung die Presse retour zum Verlagshaus Kurier, wo sie heute Chefredakteurin des profil ist – ein beachtlicher Karriereweg der gebürtigen Oberösterreicherin, die heute mit ihrer Tochter in Wien lebt.

fotocredit: Alexandra Unger

Interview

Von Ried im Innkreis über Bad Ischl an die Spitze des Nachrichtenmagazins
Profil in Wien – dieser Weg war wahrscheinlich nicht unbedingt vorgezeichnet.
Oder gab es da so etwas wie einen geheimen Wunsch in der Kindheit, zu
schreiben, hinter Geheimnisse zu kommen?

Ich habe Geheimnisse tatsächlich nie gemocht – und hatte deswegen privat
manchmal Probleme, weil ich immer schon gut darin war, Geheimnisse
anderer herauszufinden (und dann leider zu oft zu tratschen). Ich habe
dieses Laster später beruflich kanalisiert und verdiene heute sogar Geld
damit. Das ist mein größter Lifehack.

Sie haben Germanistik und auch Judaistik studiert – was hat Sie dann zum
Journalismus gebracht?

Das war eher Zufall. Mein Studi-Job war im Lektorat im Kurier. Meine
Abteilung hat sich eine Raucherecke mit dem Sport geteilt – damals eine
reine Männerabteilung. Sie wollten immer unbedingt eine Frau haben, und
ich bin dann im Zuge eines internen Austauschs dort gewesen, obwohl mich
Sport gar nicht interessiert hat. Ich habe mir gedacht: Schauen wir mal, wie
weit ich mit etwas komme, das ich eigentlich nicht kann. Rainer Fleckl und
Erich Vogl haben damals die Doping-Affären recherchiert – ich würde die
beiden als meine Mentoren bezeichnen. Sie haben mich sehr gefördert und
meine Leidenschaft für das Wühlen und Graben professionalisiert.
Lustigerweise war ich dort damals die erste Frau – und bin es heute im
selben Medienhaus in meiner Position als Chefredakteurin bei profil.

Sie gelten als ausgewiesene Expertin in Sachen Korruption einerseits und
Geheimdienstwesen andererseits. Sie scheuen sich nicht, den Mächtigen auf die
Finger zu schauen. Das hat Sie auch in wahrscheinlich unangenehme
Situationen wie die drohende Strafverfolgung durch die WKSta, oder die
Verfolgung durch einen russischen Agenten gebracht. Sie machen trotzdem
weiter – was machen solche durchaus bedrohlichen Szenarien mit einem?
Und kann man dann trotzdem seiner Arbeit gleich akribisch und unbefangen weiter
nachgehen?

Die meisten Menschen laufen vor Gefahr weg – ich laufe hin, weil ich sehen
möchte, was da los ist. Manchmal sollte ich mich vielleicht ein bisschen mehr
fürchten, aber Angst habe ich tatsächlich nie. Das liegt wohl auch daran, dass
ich in meiner Redaktion ein Bollwerk habe, das mich auch schützend umgibt,
wenn es einmal haarig und unangenehm wird. Mit der Zeit bekommt man
auch dicke Haut und ein dickes Fell. Man muss aber auch aufpassen, nicht
abzustumpfen. Dafür hat man übrigens auch ein internes Korrektiv.

Sie sind die erste Chefredakteurin des Profil. War das für Sie oder die Zeitschrift
in irgendeiner Weise ein Thema bzw. haben Sie den Eindruck, dass mit Ihnen
anders umgegangen wird, weil Sie eine Frau sind?

Sagen wir mal so: Freilich gab es nicht zu wenige, die gleich zu Beginn
bezweifelt haben, dass ich das kann. Die meine Qualifikation infrage gestellt
haben – es hat sicher mehr gegeben, die nicht an mich geglaubt haben, als
die, die es getan haben. An dieser Stelle auch einen großen Dank an meinen
Geschäftsführer Richard Grasl, der mich dazu ermuntert hat. Und an profil-
Eigentümer Raiffeisen, die mir das zugetraut haben und mir bis heute
großes Vertrauen entgegenbringen.
Aber auch viele junge Männer kommen in Positionen, die ihnen vielleicht
zuerst eine Nummer zu groß sind. Doch meistens haben die Buben ein
Netzwerk, das sie so lange trägt und unterstützt, bis sie gut
hineingewachsen sind. Das hast du als Frau viel weniger – obwohl ich schon
sagen muss, es wird auch in meiner Branche besser. Ich habe mittlerweile
einige ganz tolle Frauen in Führungspositionen kennengelernt, neue
Freundschaften geschlossen – und habe gerade auch bei profil intern große
Frauen-Solidarität erlebt. Das ist wunderbar und auch mir ist es ein großes
Anliegen, weibliche Talente zu fördern. Mehr noch: Ich sehe das als meine
Pflicht.

Sie haben in Ihrer Redaktion ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Frauen und
Männern. Wie wichtig ist Ihnen Frauenförderung im Journalismus, und hat
dieses Thema außerhalb des Profil in der Medienwelt noch die entsprechende
Wichtigkeit, Stichwort backlash?

Ich finde, gemischte Teams sind irrsinnig wichtig. Da geht es nicht nur um
Geschlechterverhältnisse. Es geht um Jung und Alt. Migrationshintergründe
und österreichische Originale. Man muss die Waage auf vielen Ebenen halten
– und damit das möglich ist, muss man manchmal auf der einen oder
anderen Seite mehr tun. Frauen muss man sicher oft mehr fördern als
Männer. Und ja, ich orte einen gewissen Backlash – man sehe sich die
aktuelle Politik an. Frauenpolitik wird immer mehr mit Familienpolitik
gleichgesetzt – und das in teils sehr rückgewandter, konservativer Weise. Als
Karrierefrau, die auch Mutter ist, kann ich das nur ablehnen.

Würden Sie jungen Frauen dazu raten,
den Beruf der Journalistin zu ergreifen und wenn ja, welche Tipps haben Sie
parat?

Die Branche ist schwierig, weil wir in vieler Weise in einem Umbruch sind.
Dennoch würde ich diesen Beruf jeden Tag wieder ergreifen – er ist
unglaublich persönlich bereichernd. Ich kann vom Bettler bis zum
Bundeskanzler mit jedem sprechen, man bekommt so viele spannende
Einblicke und es wird nie langweilig. In wie vielen Jobs hat man das schon.
Also: JA! Wenn ihr das machen wollt, tut es.

Name:  Anna Thalhammer

Familienstatus: ledige Mama

Mein Lebensmotto: Geht nicht, Gibt`s nicht

Mein Power-Lieblingssong:  „I follow the Sun „ von Gizmo Varillas

Mein Ausgleich: meine Tochter

Meine Leseempfehlung für junge Frauen/Menschen: profil.at

Anna Thalhammer  in drei Worten:  Energiebündel, Berufsnervensäge, Neugierdsnase

Wenn ich einen Tag Frauenministerin wäre: Würde ich die sogenannte Herdprämie sofort  abschaffen und für eine Verfassungsmehrheit sorgen, dass sie nie wieder kommt.

Name
Anna Thalhammer
Familie
in einer LebensgemeinschaftLieblingsessen: alles außer Innereien
Lieblingsort
Lebensmotto
Carpe Diem
Mein Ausgleich
Ich in drei Worten
Wenn ich einen Tag Frauenministerin wäre
das wäre keine Option für mich. Gestalten kann man nur dann, wenn man auch Handlungsrahmen hat – es gibt im Bereich der Gleichstellung noch viel zu tun, aber das ist in einem Tag so nicht machbar.