Frau Bauinger, bitte erzählen Sie ein bisschen von Ihrem bisherigen Lebenslauf!
Es sind Höhen und Tiefen, Herausforderungen und Glücksmomente, tiefgreifende Ereignisse, die uns zu dem machen, was wir schlussendlich sind. Durch die Heirat mit meinem Mann habe ich ein sehr behütetes, von einer großen Familie und Gemeinschaft begleitetes Leben hinter mir gelassen und bin in eine „fremde Heimat“ übersiedelt. Der einzige Bezugsmensch war mein Mann, die gesellschaftlichen und beruflichen Herausforderungen waren groß, meine Neugierde und mein Wille zu bestehen ebenso. Diese Offenheit für Neues, Interesse und Lernfreude haben meinen Lebensweg geprägt. Die Ausbildung an der Religionspädagogischen Akademie in Wien und das Studium der Pädagogik und sozialen Verhaltenswissenschaften führten mich in das Berufsfeld Schule. Nach 20 Jahren im Schuldienst drängte sich eine Veränderung förmlich auf. In Jena durfte ich die Ausbildung zur interkulturellen Trainerin und in Strobl den Lehrgang Bildungsmanagement absolvieren. Der berufliche Weg führte mich 2015 an die Pädagogische Hochschule der Diözese Linz, wo ich in der Ausbildung der Lehrer*innen tätig bin. Darüber hinaus habe ich einige wissenschaftliche Publikationen in Zeitschriften und Fachbüchern zum Thema Transmigrationen aus dem Salzkammergut, Geschichte der Evangelischen Kirche in OÖ sowie Religionsunterricht verfasst.
Gibt es bei den Herausforderungen und tiefgreifenden Erlebnissen, von denen Sie zu Beginn gesprochen haben, Ereignisse, welches besonders einschneidend waren?
Ja, in die beruflich sehr spannende Zeit der Veränderung fiel der tragische Tod meines Mannes, der mir auch meine Verletzlichkeit, menschliche Vergänglichkeit und Machtlosigkeit vor Augen geführt hat. Ich habe tiefes Leid und Trennungsschmerz erfahren, aber gleichzeitig ist mir auch bewusst geworden, wie reich beschenkt ich durch die vielen Menschen bin, die für mich und meine Kinder da waren.
Vor allem meine beiden Kinder, Sabine und Christoph, sind für mich der tägliche Beweis, dass die Liebe über den Tod hinauswirkt. Die Geburt der beiden als Wunder erleben zu dürfen, ihr Heranwachsen zu begleiten, im Scheitern an ihrer Seite zu sein und mich über die Erfolge mit ihnen freuen zu dürfen, das sind die Erfahrungen, die mich immer wieder zutiefst berühren.
Sie sind auch ehrenamtlich viel im Einsatz – warum ist Ihnen dieses Engagement wichtig und in welchen Bereichen sind Sie tätig?
Ich wurde in meinem Leben reich beschenkt und durch ehrenamtliche Tätigkeiten habe ich versucht, diese Dankbarkeit zu leben und Gutes zu tun. Meine Ehrenämter waren in verschiedenen Organisationen angesiedelt, etwa im Oberösterreichischen Familienbund, in der Oberösterreichischen Landlerhilfe, beim runden Tisch der Religionen, bei Solwodi oder im Oberösterreichischen Landeskulturbeirat. Ab 2006 habe ich mich verstärkt in der Evangelischen Kirche engagiert: 16 Jahre als Leiterin des Evangelischen Bildungswerks OÖ, ab 2019 als Mitglied des Superintendentialausschusses der Diözese OÖ – das heißt im Leitungsgremium – und seit 2021 als Superintendentialkuratorin.
Wie würden Sie Ihre heutige berufliche Stellung definieren?
Ausgehend von meinen beiden „Standbeinen“ bin ich beruflich an der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz Lehrende, für die Organisation der Praxis am Institut Religionspädagogik verantwortlich und stellvertretende Institutsleiterin. Ich sehe meinen Beruf als Schnittstelle zwischen Theorie und Praxis in der Ausbildung der Pädagogen und Pädagoginnen und als wichtigen Beitrag zur Gestaltung von Zukunft und Bildung. Mein Ehrenamt als Obfrau des Evangelischen Oberstufenrealgymnasiums ROSE spielt ebenfalls in diesen Bereich. Als Leiterin des Evangelischen Museums OÖ in Rutzenmoos sehe ich auch einen Bildungsauftrag, Geschichte als pädagogischen Input für die Gestaltung von Zukunft zu vermitteln.
Als Superintendentialkuratorin der Evangelischen Kirche A.B. in OÖ definiert sich mein Aufgabenbereich in der Zuständigkeit für Finanzen, Bau- und Renovierungstätigkeiten, Vermietungen und Verpachtungen, ich sehe mich als Ansprechpartnerin in finanziellen Belangen oder Bauangelegenheiten der einzelnen Gemeinden. Vor allem liegt meine Funktion aber auch in der Vertretung der Diözese nach außen. Es ist ein sehr großer Aufgabenbereich, der nicht genau definiert ist und von den Menschen auch verschieden wahrgenommen und in Anspruch genommen wird.
Sind Sie in Ihrer Arbeit je mit der Unterschiedlichkeit der Geschlechter konfrontiert worden?
Ich bin in allen meinen Tätigkeitsbereichen mit den verschiedenen Rollenzuweisungen und -wahrnehmungen von Mann und Frau konfrontiert. Ist es im Lehrerberuf so, dass wir gerne mehr Männer als Studierende hätten und weibliche Lehrende am Institut auch in der Mehrzahl sind, sehe ich eine gewisse Parallele zu meinen ehrenamtlichen Tätigkeiten. Auch hier ist vor allem das Ehrenamt mehrheitlich weiblich geprägt. Wenn es jedoch um Führungspositionen geht, so ist meine Wahrnehmung, sind Frauen eher zurückhaltend, trauen sich weniger zu als Männer und sind auch oft nicht gut vernetzt. Zudem ist meiner Meinung nach immer noch viel zu sehr in der Gesellschaft verankert, dass in Partnerschaften der Mann und nicht die Frau Karriere machen soll. Meine Vorgänger waren ausschließlich Männer, sowohl an der PHDL als auch im Amt der Superintendentialkuratorin in OÖ.
Wurden Sie in Ihrem beruflichen Werden je durch Ihr Frausein in die Schranken gewiesen oder sind Sie dadurch je in Ihrer Karriere ausgebremst worden?
Prinzipiell vertrete ich meine Meinung und lasse mich nicht in die Schranken weisen. Natürlich stößt man immer wieder auch an Grenzen und erlebt Kränkungen. Ich habe das als zwischenmenschliche Konfrontationen gesehen und nie als Angriff auf mich als Frau empfunden. Vielleicht hängt das auch damit zusammen, dass ich mein Frausein und meine Frauenrolle immer sehr bewusst gelebt und wahrgenommen habe und im beruflichen Umfeld wollte ich durch meine Qualifikationen und mein Wissen wahrgenommen werden und nicht ausschließlich durch mein Frausein.
Meine MOTIVATION ist … meine Freude an der Arbeit, am Gestalten und Entwickeln, an der Gemeinschaft und am Leben.
ANTRIEB ist mir, … Visionen und Ziele zu haben, dafür zu arbeiten, sich einzusetzen, zu kämpfen. Und mein Enkel, der mir bewusst macht, wofür es sich lohnt, Zukunft zu gestalten.
In welchen Situationen Ihrer bisherigen Laufbahn hat man Ihnen Mut gemacht?
Ich bin sehr dankbar, dass ich oft Menschen an meiner Seite hatte, die mich bestärkt und unterstützt haben. Mein größter Mutmacher war ein Mann: der Pfarrer, der mich getauft, konfirmiert und sehr geprägt hat. Seine Überzeugung und wiederholte Aussage: „Du kannst es und schaffst es!“, hat eine tiefe Spur für mein Leben gelegt, die mir bis heute in vielen Situationen hilft, „in der Spur“ zu bleiben, den Mut nicht zu verlieren.
In welchem Bereich würden Sie jungen Frauen aus heutiger Sicht gerne Mut machen?
Vor allem wenn es um Entscheidungen geht, sich um Führungspositionen zu bewerben. Ich würde jungen Frauen und Müttern Mut machen, Kinder und Familie als Bereicherung im Leben und für jede Lebenssituation zu sehen. Diese Erfahrungen und das damit verbundene Lebensmanagement sind eine Kompetenz, die man in keinem Studium erwerben kann.
Name: Renate Bauinger
Familienstatus: verwitwet
Lieblingsgericht: Leider habe ich da sehr viele.
Lebensmotto: Warte nicht, bis der Sturm vorüberzieht, sondern lerne im Regen zu tanzen.
Mein Ausgleich: Wandern, vor allem im Salzkammergut, reisen und fotografieren.
Ich in drei Worten: neugierig, offen, ungeduldig
Wenn ich einen Tag Frauenministerin wäre, dann würde ich vor allem im Bereich „Gewalt an Frauen“ tiefgreifende Gesetzesänderungen und finanzielle Zuwendungen tätigen. |