1934 geboren, fühlt sich Anneliese Ratzenböck manchmal, als ob sie schon 150 Jahre alt wäre – bei allem, was sie schon erlebt hat. Als ausgebildete Lehrerin, für die es damals keine freien Stellen gab, widmete sie sich nach der Geburt ihrer beiden Söhne vorrangig der Familie.
Es gab da aber auch ihre vielen Talente und Interessen. Bereits in den Sechzigerjahren begann sie, ihre große Schreib- und Erzählfreude beruflich nu nutzen. Unter dem Pseudonym „Anneliese Röck“ verfasste sie für eine Londoner Agentur Kurzgeschichten, zahlreiche Artikel zu Schul-, Erziehungs- und Frauenthemen sowie Jugendbücher und gestaltete Frauenbeiträge für den ORF.
Ab 1973 schrieb sie für die OÖ Nachrichten eine Kolumne, die “Nichts für Männer” hieß.
Aus der Überlegung heraus, dass Frauenthemen sehr wohl auch Männer etwas angehen, wurde diese Kolumne auf “Auch Männer” umbenannt, was für die damalige Zeit mutig und fortschrittlich war.
Als ihr Mann, Dr. Josef Ratzenböck, im Jahr 1977 zum Landeshauptmann von Oberösterreich gewählt wurde, schrieb sie weiter über Themen, die ihr am Herzen lagen und engagierte sich zunehmend in der oberösterreichischen Volkskultur. Brauchtumspflege und Heimatbewusstsein sowie Hilfsbereitschaft und die Kultur des Zusammenlebens in der Gesellschaft waren ihr stets ein großes Anliegen. Als Obfrau der „Goldhauben-Frauen und Kopftuchgruppe“ erfuhren Frauen sinnvolles Tun und wo sie sich mit ihren individuellen Talenten einbringen konnten.
Ihr Bedürfnis, sich karitativ zu engagieren, mündete in der Gründung von mehreren Selbsthilfegruppen und der Organisation von Urlauben für Tschernobyl-geschädigte Kindern. Anneliese Ratzenböck stand an der Gründungswiege der Lebenshilfe OÖ, wofür sie den Ehrenring des Landes OÖ verliehen bekam. MUT machte ihr für diese Aufgabe das erste Wohnhaus für Behinderte in Passau, das sie im Rahmen ihrer Aufbauarbeit besuchte.
Als Begründerin des „Kreises der Freunde der Caritas“ gelang es ihr und ihrem Team in den vergangenen 20 Jahren, 2,5 Millionen Euro an Spendengeldern zu sammeln. Damit kann unglaublich viel Gutes geleistet werden und Ratzenböck lädt Frauen ein, sich zu engagieren, wo immer Hilfe benötigt wird.
„Ich stamme aus der Steinzeit der Frauenbewegung und vieles hat sich seither zum Positiven gewendet. Aber ich appelliere an die Solidarität der Frauen, sich gegenseitig zu unterstützen und zu akzeptieren, um künftig die herausfordernde Vereinbarkeit von Familie und Beruf gut zu bewältigen. „Für mich sind alleinerziehende Mütter die Heldinnen des Alltags!“, so Ratzenböck anerkennend.
In Österreich sieht sie das Angebot für Frauen, auch in der Wirtschaft, als gut ausgebaut an.
Durch ihre Reisetätigkeit im sozialen Bereich hat sie vor allem in afrikanischen Ländern die Erfahrung gemacht, dass trotz des Elends die Frauen in der Zusammenarbeit bei Hilfsprojekten verlässlicher sind, als die Männer. Sie geben ihren Lebenskampf nicht auf. „Dieser Mut und diese Kraft steckt in jeder von uns“, ermutigt Ratzenböck, genauso wie schlummerndeTalente, die Frauen beruflich oder privat in die Gesellschaft einbringen können. Sie rät Frauen, ihre Ansprüche nicht zu hoch anzusetzen, kleine Schritte zu machen, die auch zum Erfolg führen. Selbstwert und Selbstbewusstsein wachsen dann gleichzeitig. Und unabhängig von Lob und Bestätigung von außen muss man immer auch selber daran arbeiten.
Stolz ist Anneliese Ratzenböck darauf, dass sie immer würdige Nachfolgerinnen für ihre Funktionen gefunden hat. Dazu gehört auch der Mut, loszulassen und Geschaffenes an die nächste fähige Frau weiterzugeben. Denn „gemeinsam sind wir unendlich stark“, ist sie überzeugt.