Dr. Margit Waid hat Publizistik und Literaturwissenschaft in Wien studiert und leitet seit 2007 die Abteilung Gender & Diversity Management der Johannes Kepler Universität Linz. Neben einer breiten Vortragstätigkeit arbeitet sie an Projektentwicklungen und deren Umsetzung im Bereich Berufsbildung in der Grundschule, wie „Mädchen in die Technik – Jungen in die Pädagogik“.
In Kooperation mit den Volksschulen in Oberösterreich und der Universität Passau hat sie das EU-geförderte Projekt INTERREG ins Leben gerufen, wo es um die rechtzeitige Hinführung zu Berufsbildern und Berufswahl geht. Ihr großes Anliegen dabei ist, dass Interessensförderung in den Volksschulen stärker als Schlüssel zur späteren Berufs- und Studienwahl ankommt.
Nach Jahren in der Erwachsenenbildung war Waid im Verein für Qualifikation für Frauen beschäftigt, als drei ihrer Freundinnen ihr unabhängig voneinander das Jobangebot der JKU Linz schickten. Neustart mit 46, einem Alter, wo man gerade in Österreich am Arbeitsmarkt schon zur Risikogruppe zählt? Als alleinerziehende verwitwete Mutter von drei inzwischen erwachsenen Kindern war das ein großer innerer Schritt. Die Freundinnen aber insistierten und meinten, der Job und sie wären wie füreinander geschaffen. Diese Bewerbung hat wirklich MUT gebraucht. Aber die wissbegierige, empathische Expertin für Frauenthemen hat es keinen Tag bereut, es ist tatsächlich so, dass sie sich keinen erfüllenderen Job wünschen könnte.
Auch nach Ablauf der Förderung möchte Waid an der Interessensförderung in den Volksschulen weiterarbeiten. Es geht um das Transparentmachen von Berufsinhalten und was man investieren muss, um dorthin zu kommen. Die bayrischen Kollegen im Projekt INTERREG hatten gemeint, dass es zu früh sei, bereits in der Volksschule mit der Wissensvermittlung zum Thema Berufswahl zu beginnen. Für Waid ist aber genau das der richtige Zeitpunkt, weil bei Kindern bereits persönliche Bilder im Kopf entstehen.
Im Europavergleich sieht Waid die Chancen von Frauen mit guter Bildung in der Arbeitswelt in Skandinavien, Großbritannien, Frankreich und den osteuropäischen Ländern wesentlich besser als in Österreich. Vor allem osteuropäische Frauen haben ein ausgeprägtes Selbstbewusstsein. Frauen mit weniger Selbstbewusstsein rät sie, realistisch zu sein, die Latte nicht zu hoch zu legen und stolz auf die eigenen Leistungen zu sein.
Frauensolidarität stärkt das Selbstvertrauen, ein kleines, ernstgemeintes Kompliment von Frau zu Frau ermutigt dabei sehr. Frauen sollten einander unterstützen statt zu beißen – Männer tun das schon seit jeher.
Wenn die Vereinbarkeitsthematik der Kinderbetreuung und der Rahmenbedingungen für Familien geklärt sind, bilden sich Frauen gerne und häufig fort, viel stärker als Männer. Unglaublich, wie viele Fortbildungen man bei Frauen beim Durchschauen von Lebensläufen findet. Und trotzdem trauen sie sich weniger zu als Männer mit wesentlich geringerer Qualifikation. Das zeigt sich im Jobprofil zum Beispiel bei den Englischkenntnissen, wo Männer mit geringer Sprachkompetenz kein Problem sehen, während Frauen fließend sprechen und schreiben können und zögern.
Waid hat sich immer schon für Geistes- und Naturwissenschaften begeistert. Sie fördert gerne und hat das Glück, das beruflich tun zu dürfen. Auch oder gerade weil sie Publizistik studiert hat und sich viel mit Kommunikation beschäftigt, sieht sie keinen Mehrwert in der Nutzung von Social Media und verzichtet privat bewusst darauf.
Seit vier Jahren lebt sie in einer glücklichen Partnerschaft und möchte den Frauen Mut machen, die – wie sie selbst – Kinder mit wenig Unterstützung alleine großziehen und nach dieser anspruchsvollen Lebensphase noch einmal voll durchstarten. „Auch in der zweiten Lebenshälfte können sich noch Sachen auftun – privat und beruflich – mit denen man nicht mehr rechnet“, weiß Waid aus Erfahrung.
„Auch in der zweiten Lebenshälfte können sich noch Sachen auftun – privat und beruflich – mit denen man nicht mehr rechnet“.