Gerlinde Kaltenbrunner

Profi-Bergsteigerin, Vortragende

Interview

Sie ist eine geerdete, in sich ruhende Frau, die mit sich im Reinen ist, keine vom Wettkampf Getriebene, sondern eine Persönlichkeit, die ganz andere Werte lebt, als man es sich von der in knallhartem Konkurrenzkampf stehenden Welt der Höhenbergsteiger vorstellen will. Zweifellos ist sie eine zielgerichtete, ehrgeizige Frau mit der unbändigen Leidenschaft, alle Achttausender ohne zusätzlichen Sauerstoff zu erklettern, aber sie legt dabei keinen Wert darauf, die erste zu sein. Eine Frau, die auch einen wiederholten Expeditionsabbruch 50 Meter vor dem Gipfel nicht als Scheitern empfindet, sondern als Zeichen dafür, dass sie und der Berg noch nicht bereit waren füreinander.

Eine Frau, die sieben Versuche unternimmt, einen der schwierigsten aller Berge, den K2 zu erklimmen. Eine Frau, die sich auch von Rückschlägen und schrecklichen Unfällen nicht von ihrem Ziel abbringen lässt und am Ende trotzdem als erste ohne Sauerstoff auf allen vierzehn Gipfeln steht und wieder heil herunterkommt.

Auch wenn viele ihrer männlichen Bergsteigerkollegen es nicht glauben wollen, sie kämpft nicht mit dem Berg, sie will ihn nicht erobern und bezwingen, sondern sie will mit dem Berg, der Natur und damit mit dem Universum eins werden, sich als Teil eines unendlich Größeren sehen, Demut und Dankbarkeit in der stillen Erhabenheit der Natur erfahren. Das Reduziertsein auf sich selbst, auf die wenigen Ausrüstungsgegenstände, das Schwingen mit und der tiefe Respekt vor der Natur sind die tief in ihr verankerten Gründe, weshalb sie nicht von den Bergen lassen kann.

Für Gerlinde Kaltenbrunner zählt nicht, was die Außenwelt über sie denkt. Die erste Frage, die sie sich immer stellt, ist, ob wirklich ihr innerster, eigener Wunsch die Triebfeder ist, an ihre persönlichen Grenzen zu gehen. Vom Berg wieder gesund zurückzukommen ist ihr wichtiger, als auf dem Gipfel zu stehen und über Instagram-Fotos der Welt ihren Erfolg mitzuteilen.

Wie macht sie das? Wie holt sie sich die Kraft und die Coolness, sich nicht oder möglichst nicht von der Außenwelt, von deren Erwartungen und dem medialen Druck beeinflussen zu lassen? Ganz wichtig ist ihr, keine Angst zu haben, für ihre Leidenschaft ins kalte Wasser zu springen, keine Angst, die Sicherheit und den Wohlstand eines geregelten Berufs- und Soziallebens zu verlassen. Das Bewusstsein, dass sich immer alles ändern kann und dass kommen wird, was kommen muss gibt ihr paradoxerweise die Sicherheit, alles fließen lassen zu können, darauf zu vertrauen, dass aus jeder Veränderung, jedem Abbruch etwas Neues folgt, das sie neugierig und dankbar aufnehmen kann.

Meditation, Stille, Rückzug aus dem Lärm der medialen Welt, ungeschönte Ehrlichkeit mit sich selber, Bescheidenheit, Dankbarkeit, ein Teil des Universums zu sein helfen ihr, in ihrer lebensgefährlichen Leidenschaft sachlich und nüchtern zu bleiben, Risiken einzuschätzen und zu wissen, wann es Zeit ist, abzubrechen. So verwundert es nicht, dass sie nicht in den Social Media zu finden ist, sondern lieber jeden Tag etwas in ihr persönliches Dankbarkeitsbuch schreibt. Sich dem permanenten Bombardement externer Erwartungen auszusetzen, sich für sich selbst rechtfertigen oder sich der Welt erklären zu müssen empfindet sie als Lärmbelästigung, die verhindert, sich selbst zu finden. Dies erklärt auch, warum sie so gelassen mit den Vorwürfen umgehen kann, die ihr aus der Welt der Höhenbergsteiger entgegengeworfen wurden.

Auch wenn sie am Ende Karriere gemacht hat und heute – aus dem Zufall heraus, dass sie just zum 50. Jahrestag der Erstbesteigung des Nanga Parbat auf dessen Gipfel stand – von ihrem Beruf leben kann, hat sie nie eine Karriere geplant, sich nie verraten, um ihre Ziele zu erreichen, sondern ist immer nur ihrer Leidenschaft fürs Klettern gefolgt. Ihr höchstes Ziel ist, am Ende ein ganzer Mensch zu werden, ein Mensch, der mit sich und der Natur, dem Universum im Reinen und im Frieden ist.

Name
Familie
Lieblingsort
Lebensmotto
Mein Ausgleich
Ich in drei Worten
Wenn ich einen Tag Frauenministerin wäre