Dipl-Ing.

Nicole Oberschmidleitner

Head of Mechatronic Products bei Primetals Technologies Austria GmbH

Zusammen mit ihren rund 65 MitarbeiterInnen entwickelt Nicole Oberschmidleitner in ihrer Abteilung mechatronische Produkte für Anlagen in der Eisen- und Stahlindustrie. Diese umfassen Mess- oder Monitoringgeräte, Qualitätssicherungssysteme oder Expertensysteme, die Abläufe in der Stahlproduktion messen und bei Bedarf auch direkt in die Prozesse eingreifen. Über ihre Karriere und ihren Werdegang spricht die studierte Mechatronikerin mit so viel Freude und Leichtigkeit, dass der Eindruck entstehen könnte, es wäre alles ganz einfach gewesen. Erst nach und nach zeigt sich, mit wie viel Herzblut und Stärke sie sich ihre Vorreiterrolle als Frau in einem männlich dominierten Umfeld erarbeitet hat. Als junge Mutter und erste Technikerin bei der Vatron gmbh, einem ehemaligen Joint Venture zwischen voestalpine und Primetals, lernte sie den Anlagenbau von der Pike auf kennen und hat sich ihren Platz im Unternehmen und den Respekt von Kollegen und Kunden oft erst erkämpfen müssen. Ihre Erfahrungen nutzt sie, um als Mutmacherin junge Frauen für technische Berufe zu begeistern.

Interview

Frau DI Oberschmidleitner, bitte erzählen Sie uns etwas über Ihre Tätigkeit!

Wir von Primetals Technologies sind Anlagenbauer, d.h. wir bauen Anlagen für die Eisen- und Stahlproduktion. In meiner Abteilung entwickeln wir mechatronische Produkte für diese Anlagen. Also u.a. Mess- oder Monitoringsysteme für Teile der Anlagen oder die Produkte. Das Alleinstellungsmerkmal meiner Abteilung und unserer Produkte ist, dass sie nicht nur in unseren eigenen Anlagen angewendet werden können, sondern auch in Konkurrenzanlagen weltweit

Was gefällt Ihnen an Ihrer Arbeit besonders gut?

Mein Bereich umfasst verschiedene Tätigkeiten – einerseits die Forschung an und die Entwicklung von mechatronischen Produkten, auf der anderen Seite den Vertrieb, die Projektabwicklung und die weltweite Inbetriebnahme. Mathematik, Mechatronik, Elektrotechnik, Maschinenbau, Telematik, Informationstechnologie – ich habe in meiner Abteilung also wirklich alles, was man sich an Technik vorstellen kann. Das Schöne daran ist, dass ich daher auch mit ganz unterschiedlichen Personen mit unterschiedlichen Kompetenzen zusammenarbeite – ich habe ausgebildete Elektriker und Werkzeugmaschinenbauer, HTL-Absolventen bis hin zu Personen mit Universitäts- oder FH-Abschluss. Ein sehr bunter Strauß an internationalen Persönlichkeiten mit einem sehr vielfältigen Tätigkeitsfeld – das macht meinen Beruf wirklich spannend.

Wie würden Sie Ihren Führungsstil beschreiben?

Als Führungskraft habe den Anspruch an mich selbst, dass ich meine MitarbeiterInnen begleite. Dadurch darf aber auch jeder seinen eigenen Charakter leben. Jeder Mensch hat seine eigene Art – und man muss auf diese Eigenheiten eingehen und eine Umgebung schaffen, wo jeder das auch leben darf, ohne dass man ausgeschlossen wird aus einer Gemeinschaft.

Mechatronik, Anlagenbau – das sind Bereiche, in denen sich nach wie vor sehr wenige Frauen finden. Wie herausfordernd war es, sich in diesem Umfeld durchzusetzen?

Bei Vatron gmbH war ich die erste Technikerin im Unternehmen. Da habe ich viel gehört und gesehen, wo man oft auch einen gewissen Panzer um sich herum braucht. Die größte Herausforderung waren sicherlich die weltweiten Inbetriebnahmen, bei denen ich als Frau ziemlich allein auf weiter Flur war. Bei einer Inbetriebnahme arbeitet man immer mit einem Team und das waren damals ausschließlich Männer. Und plötzlich stört eine Frau dieses „Junggesellen“-Zusammenleben. Da ist man doch oft im ersten Moment auf wirkliche Ablehnung gestoßen. Ein Aspekt, den ich selbst unterschätzt habe, ist, dass ich einen Hochschulabschluss habe – eine Frau als Diplomingenieur war noch einmal exotischer. Glücklicherweise hat sich diese Skepsis innerhalb sehr kurzer Zeit gelöst und es entstanden sogar langjährige Freundschaften

Können Sie anderen Frauen einen Tipp geben, wie man solche Situationen bewältigt?

Man darf sich einfach nicht unterkriegen lassen, man soll seine Ziele verfolgen, darf sich manche Dinge nicht zu nahe gehen lassen. Wenn man etwas mit Leidenschaft und Überzeugung macht, dann darf man nicht unterschätzen, wie viel man bewirken kann. Ja und man sollte auch daran arbeiten, wie man sein Umfeld gestalten möchte.

Und wie wird man von der „Exotin“ zur Führungskraft?

Ein wesentlicher Aspekt war sicher die gesammelte Erfahrung in vielen unterschiedlichen Bereichen. Und egal ob Mann oder Frau, man braucht immer Menschen, die einen als Mentor unterstützen und fördern. Ich hatte das große Glück in meinem Leben, immer solche MentorInnen zu haben. Als ich meine erste Führungsrolle übernommen habe, hatte ich auch Selbstzweifel und dachte manchmal, dass ich dieser Aufgabe nicht gewachsen bin. Mir hat sehr geholfen, was mein damaliger Vorgesetzter und Mentor zu mir gesagt hat: „Ich weiß, du bist in gewissen Dingen nicht so gut wie ich. Aber du bist in anderen Dingen viel besser – und das musst du nutzen. Konzentriere dich immer auf deine Stärken und nicht auf deine Schwächen. Lebe das aus und du wirst sehen, dass du erfolgreich bist.“

Sie haben einen erwachsenen Sohn. Wie haben Sie es geschafft, Mutterrolle und Karriere unter einen Hut zu bringen?

Ich würde es mit einem Wort zusammenfassen: Organisation. Ich habe meinen Sohn am Ende des Studiums bekommen. Der Schock über die ungeplante Schwangerschaft wich schnell sehr großer Vorfreude. Im Nachhinein gesehen ist es das Beste, was mir passieren konnte, dass ich mit meinem Kind in die Berufswelt gestartet bin. Es war für mich immer klar, dass ich nach meinem Abschluss Vollzeit arbeiten möchte – dafür war mein Studium einfach zu schwer. Als ich schwanger wurde, habe ich meine gesamte Familie – meine Schwiegereltern, meine Eltern, meine Großmutter – zusammengeholt mit ihnen beratschlagt: „Wie können wir das schaffen?“ Daraus ergab sich ein konkreter Plan mit fixen Betreuungszeiten, der in Zusammenspiel mit meinem Beruf über Jahre gut funktioniert hat

Wie sieht der Frauenanteil in Ihrer Abteilung aus?

Da ich im technischen Bereich sehr aktiv in der Frauenförderung und an Mentoringprogrammen beteiligt bin, habe ich eine gewisse Bekanntheit und erhalte viele Bewerbungen von Frauen. Ein weiterer Grund ist sicher auch unser gutes Abteilungsklima, das sich herumspricht. Ich denke, dass Frauen darauf stärker achten als Männer. Dadurch haben wir einen vergleichsweise hohen Frauenanteil von 18 Prozent. Der Durchschnitt liegt bei den sehr techniklastigen Abteilungen sonst eher im einstelligen Bereich.

Noch immer trauen sich nur wenige Mädchen in technische Studien und Berufe – wie kann man das Ihrer Meinung nach ändern?

Ich bin viel in Mentoring Programmen für junge Technikerinnen unterwegs und versuche gezielt, junge Frauen zu motivieren. Aber ich glaube, ein wichtiger Schlüsselfaktor sind die Eltern. Ich hatte das große Glück, dass mein Vater mir gerade im Bereich Mathematik sehr viel Begeisterung mitgegeben hat und mir z.B. immer wieder Rätsel aufgegeben hat. Als Eltern das Interesse der Töchter für Handwerk und Technik zu fördern, sie z.B. mit in die Werkstatt zu nehmen, sie Dinge reparieren zu lassen, das ist sicher ein Hebel, wie man viel mehr Frauen zur Technik bringen kann. Und Vorbilder braucht es natürlich auch.

Kurzfragebogen:

Familienstatus: In einer glücklichen Beziehung lebend.

Lieblingsgericht: Alles, was ungesund ist – ich esse es nicht immer, aber es würde mir am besten schmecken.

Lebensmotto: Ich tue Dinge immer zielgerichtet und überlegt – aber nur wenn Leidenschaft, Herz und Spaß im Spiel sind. Sonst lasse ich es bleiben.

Mein Ausgleich: Im Winter Skifahren, im Sommer Golfen; Zeit mit Leuten verbringen, die mir am Herzen liegen und mir nicht die Luft zum Atmen nehmen. Urlaubsreisen, aber tatsächlich auch Dienstreisen – die bringen Abwechslung und können richtig Spaß machen

Ich in drei Worten: Ich denke, ich bin zu vielfältig, um mich mit nur drei Wörtern beschreiben zu können.

Wenn ich einen Tag Frauenministerin wäre …  würde ich mehr Veranstaltungen für Eltern organisieren in Richtung Technikvermittlung für kleinere Kinder.

Name
Familie
Lieblingsort
Lebensmotto
Mein Ausgleich
Ich in drei Worten
Wenn ich einen Tag Frauenministerin wäre