Frau Moran, erzählen Sie bitte ein bisschen von Ihrem Aufwachsen!
Ich bin in Murau, einer Kleinstadt mit 3000 Einwohner*innen in der Obersteiermark, geboren und aufgewachsen. Für meinen Bruder und mich war es im Volksschulalter klar, nicht durch die Tür in die Wohnung zu gehen, sondern über eine drei Meter hohe Mauer ins Küchenfenster einzusteigen. Auch unsere Katze suchte so ihren Ein- und Ausgang – sie war unser Vorbild. Meine Mutter war nicht gerade begeistert, weil ich oft meine Röcke dabei zerriss.
Als ich 14 war ging ich nach Graz in eine Frauenberufsschule. Diese war sehr auf Kreativität ausgerichtet – vom bildenden Kunsthandwerk bis hin zur Schauspielerei. Doch ich wollte in die Kunstgewerbeschule. Ich wurde in die Klasse der Goldschmiede eingeteilt. Mein Vater wollte diese Schule aber nicht, weil ihm das Umfeld zu unbekannt war. Er hatte stets das Gefühl, mich vor den Burschen schützen zu müssen und brachte mich daher bei Verwandten unter. Schon mit 18 Jahren lernte ich meinen Exmann kennen, mit 21 heiratete ich und mit 22 kam mein Kind. Nach 14 Jahren Ehe folgte die Scheidung.
Wie war für Sie die Situation als freischaffende Künstlerin und alleinerziehende Mutter eines Kindes?
Ich hatte niemanden für den pubertierenden Sohn – ich konnte nicht wie ich wollte. Als freischaffende Künstlerin hatte ich wenig Geld. Auch wenn ich ständig versuchte mich zu bilden, in der Kunsthochschule herumspioniert hatte, in einen Kunstverein eintrat, aber als Bildhauerin am Granit scheiterte, gab ich nicht auf. Als Alternative zum Steinbildhauen kam ich zum Lithostein. Ich studierte diese aufwendige Technik der Lithografie bei Meisterprofessor Alfred Billy in der Druckwerkstätte der damaligen Kunsthochschule in Linz und widmete mich nebenbei auch der Malerei. Es war eine Zeit, in der ich das erste Mal meiner Selbstständigkeit begegnete. Ich kämpfte mich alleine durch. Ab diesem Zeitpunkt explodierte ich künstlerisch und nahm alle Herausforderungen an. Nebenbei musste ich meinen schulschwänzenden Sohn in Kaffeehäusern suchen und in die Schule zurückbringen.
Oft verzehrte ich mich vor Sorgen und hatte kaum Geld, malte aber Bilder in großen Formaten, was für mich eine echte Herausforderung war. Jeden herausfordernden Auftrag nahm ich entgegen – je komplizierter desto lieber. Nebenbei erzeugte ich Kunsthandwerk – verzierte Ledergürtel und Silberschmuck –, um zu überleben. Eine weitere Einnahmequelle sind bis heute meine Malkurse, die ich sehr gerne halte. Ab 1980 wurde ich Dozentin für Malerei und Druckgrafik in der Erwachsenenbildung. Hier mache ich ständig Mut. „Du kannst es!“, sage ich sicher sehr oft. Manchmal habe ich sehr talentierte Kursteilnehmerinnen und ich rede vom Mut und versuche zu stärken – immer und immer wieder.
Was ist Ihre heutige Rolle, wie definieren Sie Ihren Beruf bzw. ihre Funktion in der Öffentlichkeit?
Ich bin freie bildende Künstlerin und seit 2008 Vorsitzende der Kunstorganisation „BSA-Art OÖ“, die viele Mitglieder zählt, und organisiere hier viele Ausstellungen und Symposien, halte Eröffnungsreden und habe keine Scheue mehr, vor vielen Menschen zu sprechen. Ich lebe ausschließlich von der Kunst und unterrichte daneben in vielen Erwachsenenbildungseinrichtungen Malerei und Grafik. Gerne mache ich mit meinen Studentinnen Malreisen ins Ausland und lehre auch im Freien nach der Natur und direkt vor Ort. Auch der Mensch ist ein Thema. Bei mir wird nicht nach Fotos gearbeitet, sondern nach Modellen. Ich versuche so zu lehren, dass die einzelnen Teilnehmer*innen am ehesten auf einen guten Weg kommen, um qualitative künstlerische Arbeiten zu schaffen. Dabei ist mein Beweggrund, eine schöne, tiefe Auseinandersetzung mit Kunst zu fördern.
Ich habe Preise und einige Anerkennungen verliehen bekommen, unter anderem das große Ehrenzeichen der Stadt Linz für Kultur und den „Johanna Dohnal Anerkennungspreis“ für die Arbeit mit und Unterstützung von Frauen sowie meine eigene künstlerische Aussage diesbezüglich. Ich kuratiere, organisiere und mache Mut, sich etwas zu trauen.
Haben Sie in Ihrer Tätigkeit je einen Unterschied zwischen Mann und Frau wahrgenommen bzw. wie wurden Sie in Ihrer Arbeit mit der Unterschiedlichkeit der Geschlechter konfrontiert?
Ja, auch als Künstlerin muss man dreimal so gut und doppelt so fleißig wie ein Mann sein, um gesehen zu werden. Also traue ich mich auch, direkt vor Publikum in einer Performance zu malen und die Menschen an einem Prozess teilhaben zu lassen sowie Repräsentation vorzuzeigen.
Wurden Sie in Ihrem beruflichen Werden je durch Ihr Frausein in die Schranken gewiesen oder sind Sie dadurch je in Ihrer Karriere ausgebremst worden?
Ja sicher, aber jetzt immer weniger. Nach meiner Scheidung hatte ich etwa nicht die Möglichkeit, mich wie die männlichen Kollegen abends in Lokalen aufzuhalten und mich dort in der Kunstszene interessant zu machen, weil ich ein Kind zuhause hatte. Damals war es noch nicht üblich, dass Männer etwas zum Haushalt und zur Kindererziehung beitragen wollten. So konnten männliche Künstler am Abend fortgehen und dort auf Kunstinteressierte treffen, mit denen man Geschäfte machen konnte.
Meine MOTIVATION ist … in meinen Kunstwerken große Aussagen zur Kunst zu machen. Eine Kunst, die etwas zu sagen hat, mich als Frau auszeichnet und zeigt: So macht es kein Mann.
ANTRIEB ist mir … eine zeitgenössische Umsetzung des Erlebten in der Malerei und die Zufriedenheit in der Lehrtätigkeit.
In welchen Situationen Ihrer bisherigen Laufbahn hat man Ihnen Mut gemacht?
Das war kaum der Fall. Aber mittlerweile empfinde ich Mut, wenn ich beispielsweise einen „Kunst am Bau“-Auftrag bekomme und mir das Vertrauen geschenkt wird.
Was würden Sie jungen Frauen aus heutiger Sicht sagen, um ihnen Mut zu machen?
Macht das, was ihr schon immer machen wolltet, aber mit 200-prozentigem Einsatz. Und: Strebt eure Selbstständigkeit und Unabhängigkeit an!
Name: Renate Moran
Familienstatus: in einer Beziehung, aber in getrennten Wohnungen lebend
Lieblingsgericht: kleines Wiener Schnitzel mit viel Erdäpfelsalat
Lebensmotto: Alles tun, was möglich ist!
Mein Ausgleich: Kultur genießen
Wenn ich einen Tag Frauenministerin wäre, dann … bräuchte ich ein Budget, mit dem ich den ganzen Tag Geldpreise verteilen würde, weil es so viele verdienende Frauen gibt. |