OÄ Dr.in

Iris Scharnreitner

Leitende Oberärztin für Fetomaternale Medizin am Kepler Universitätsklinikum in Linz

Mit 25 und zwei kleinen Kindern beruflich noch einmal mit einer jahrelangen Ausbildung ganz von vorne anzufangen, das würden sich wohl nur wenige trauen. Aber Iris Scharnreitner hatte einen Traum: Ärztin zu werden. Also zog sie mit Mann und Kindern zum Studieren nach Graz, um die Violine gegen ein Skalpell zu tauschen. In der Pränatalmedizin am Kepler Universitätsklinikum in Linz hat sie ihr berufliches Zuhause gefunden. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der Betreuung von Feten mit Fehlbildungen, insbesondere von Herzfehlbildungen. Im Team mit der Kinderkardiologie führt sie intrauterine Herzeingriffe durch, mit denen sich Linz international einen Namen gemacht hat.

Interview

Mit 25 und zwei kleinen Kindern beruflich noch einmal mit einer jahrelangen Ausbildung ganz von vorne anzufangen, das würden sich wohl nur wenige trauen. Aber Iris Scharnreitner hatte einen Traum: Ärztin zu werden. Also zog sie mit Mann und Kindern zum Studieren nach Graz, um die Violine gegen ein Skalpell zu tauschen. In der Pränatalmedizin am Kepler Universitätsklinikum in Linz hat sie ihr berufliches Zuhause gefunden. Ihr Schwerpunkt liegt dabei auf der Betreuung von Feten mit Fehlbildungen, insbesondere von Herzfehlbildungen. Im Team mit der Kinderkardiologie führt sie intrauterine Herzeingriffe durch, mit denen sich Linz international einen Namen gemacht hat.

In irgendeinem Paralleluniversum spielt Iris Scharnreitner vielleicht heute noch Violine, denn schon in der Schulzeit hat sie damit begonnen, am Bruckner Konservatorium Geige zu studieren. Nach der Matura schließt sie ein Violinpädagogik,- und Violinstudium an, bekommt ein Kind und macht mit 21 ihren Abschluss. Sie zieht mit ihrem Mann nach Salzburg, spielt und unterrichtet Geige, bekommt ein zweites Kind. „Es war so klar, alles war auf Schiene“, erzählt sie über diese Zeit. „Ich habe meinen Berufswunsch nach der Matura gar nicht mehr richtig hinterfragt. Erst in Salzburg hatte ich die Zeit, darüber wirklich nachzudenken und habe erkannt, dass ich eigentlich gerne noch etwas anderes machen würde.“ Was dieses andere sein könnte, das war ihr schnell klar. „Ich habe bemerkt, dass ich mich ständig mit medizinisch tätigen Menschen identifiziert habe – und wenn es nur der Gerichtsmediziner war, der in einem Film kurz durchs Bild spaziert ist.“

Der Schwiegervater als Ideengeber

Was zunächst ein schwer fassbarer Gedanke war, wird durch eine beiläufige Bemerkung des Schwiegervaters zur konkreten Idee: „Chirurgen sind ja oft spätberufene Menschen.“ Dabei hat er sicher nicht an eine Geigerin mit zwei kleinen Kindern gedacht – trotzdem bleibt der Satz in Iris Scharnreitners Kopf hängen: „Aber ich konnte mir nicht im Traum vorstellen, diesen Wunsch zu verwirklichen.“ Eines Abends spricht sie mit ihrem Mann darüber: „Du, ich würde furchtbar gerne nochmal studieren, es ist mir mit meiner Berufsausbildung zu schnell gegangen. Wenn ich nochmal entscheiden könnte, würde ich gerne Medizin studieren.“ Seine Antwort: „Das trifft sich gut, ich würde nämlich auch gerne studieren.“

Neuanfang in Graz

Also übersiedelt die Jungfamilie nach Graz und schafft irgendwie den Spagat zwischen Studentenleben, Arbeit und Kindererziehung – bald mit vier Kindern. Lern- und Arbeitszeiten werden penibelst organisiert, manchmal bricht das Chaos aus, dann springen die Schwiegereltern ein und nehmen alle Kinder für ein paar Tage mit zu sich nach Oberösterreich, damit die Eltern sich auf ihre Prüfungen konzentrieren können. Nach dem Abschluss zieht es die Familie wieder zurück nach Oberösterreich. Ein Jahr arbeitet Iris Scharnreitner in der Lehrpraxis. Als das jüngste Kind zwei Jahre alt ist, tritt sie schließlich ihre Turnusstelle am Linzer AKH an.

Auf Wolke Sieben

„Die ersten paar Wochen bin ich nur durch die Gänge geschwebt – das Arbeitspensum mit den Nachdiensten, der öfters raue Umgangston, die unzähligen fachlichen Anforderungen waren mir vollkommen egal. Ich war einfach nur erstaunt, dass es mir tatsächlich gelungen ist, mein Vorhaben zu verwirklichen.“ Nur eine kleine Sorge nagt irgendwann ein wenig im Hinterkopf: „In der Mitte meines Turnus habe ich schon ein wenig gezweifelt, weil mir zwar jedes Fach sehr gut gefallen hat – aber nicht gut genug, dass ich es für immer machen wollte.“ Bis sie im Rahmen des Turnus schließlich in die Frauenklinik in die Gynäkologie und Geburtshilfe kommt: „Das war Ankommen. Mir war sofort klar: Das will ich.“

Angekommen

„Es hat mir immer gefallen, dass man zwei Patienten, also Mutter und Fetus, mit manchmal ganz unterschiedlichen Bedürfnissen gleichzeitig betreut – aber immer mit dem Ziel, beide möglichst gut durch Schwangerschaft und Geburt zu bringen.“ Ihr Schwerpunkt liegt in der fetomaternalen Medizin, vor allem der Betreuung von Feten mit Herzfehlbildungen. An ihrer Arbeit gefällt Iris Scharnreitner auch, dass sie meist gesunde Frauen in einem sehr besonderen Lebensabschnitt begleitet. Ein typischer Arbeitstag umfasst ausführliche Beratungsgespräche, Ultraschalluntersuchungen und das ganze Spektrum an Eingriffen an Feten – von der Fruchtwasserentnahme über die Bluttransfusion über die Nabelschnur bis zu intrauterinen Herzeingriffen. „Bei Frauen, bei denen Fehlbildungen beim Kind festgestellt wurden, machen wir danach die ersten Untersuchungen wie z.B. ultraschallgezielte Mutterkuchenbiopsien, um die Prognose des Kindes besser abschätzen zu können.“

Emotionale Herausforderungen

Neben großem Fachwissen und Know-how braucht es in Iris Scharnreitners Job viel Einfühlungsvermögen, denn zu ihrem Alltag gehören die Beratungsgespräche und die Zusammenarbeit mit den natürlich oft sehr belasteten Eltern. „Pränatalmedizin kann sehr beunruhigen – und manchmal ganz umsonst. Es ist immer eine herausfordernde Frage, wie sehr man eine Schwangerschaft pathologisiert, welche Untersuchungen man überhaupt machen lässt. Da ist es individuell ganz unterschiedlich, was für Eltern lebbar ist.“ Schwierig sind Situationen, wenn sie während der Ultraschalluntersuchung eine Fehlbildung entdeckt. „Dieser eine Moment, wenn gerade noch alles gut war…es hilft, die Diagnose klar und ruhig auszusprechen und die Eltern nicht sofort mit Information zu überschütten, sondern abzuwarten, welche Fragen kommen, was im Moment besonders dringlich ist.“ Viele blenden die Information in so einer Situation einfach aus. „Da ist es sinnvoll, gleich noch ein Gesprächsangebot für einen späteren Zeitpunkt auszumachen.“ Um die Eltern auch auf die Zeit nach der Geburt vorzubereiten, holt sie in solchen Fällen oft auch PsychologInnen oder KollegInnen anderer Fachrichtungen mit an Bord.

Angekommen um zu bleiben

Ob sie irgendwann wieder zur Musik zurückkehren will? „Nein, die erste Anatomie-Vorlesung war wirklich Liebe auf den ersten Blick“, antwortet Scharnreitner ohne Zögern. Der Pränatalmedizin fühlt sie sich absolut verpflichtet und möchte hier zusammen mit ihren KollegInnen verstärkt im Bereich Publikationen und wissenschaftlicher Aufarbeitung weiterarbeiten. „Mir ist es ein großes Anliegen, dass die Lehre funktioniert. Linz ist mittlerweile das Zentrum für pränatale Herzeingriffe. Da gibt es auch eine Verpflichtung, das Wissen gut weiterzugeben.“ Wunschlos glücklich also? Nicht ganz: Für junge Menschen würde sie sich einen freien Zugang zu allen Studienfächern wünschen, ganz ohne Aufnahmeprüfungen. Es ist ihr bewusst, dass dieser Wunsch etwas naiv klingen mag – eines weiß sie aber sicher: Manche finden ihre wahre Berufung eben erst beim zweiten Anlauf.

Kurzfragebogen:

 

Familienstatus: verheiratet, 4 Kinder

Lieblingsgericht: Käsebrot

Lebensmotto: Zuversicht.Mut.Ausdauer

Mein Ausgleich: Lesen, Sport, Musik

Ich in drei Worten: ich improvisiere gerne

Wenn ich einen Tag Frauenministerin / Gesundheitsministerin wäre … würde ich viel zuhören

Name
Familie
Lieblingsort
Lebensmotto
Mein Ausgleich
Ich in drei Worten
Wenn ich einen Tag Frauenministerin wäre