Frage MUTmacherinnen: Frau Göweil, das Jahr 2005 war für Sie in mehrfacher Hinsicht ein Schwieriges. Nach dem überraschenden Tod Ihres Mannes haben Sie quasi als Branchenfremde die Leitung der Göweil-Mühle übernommen. Woher haben Sie in dieser belastenden Zeit Kraft und Zuversicht genommen?
Ich nehme an, aus der Verantwortung. Ich hatte mit einem Schlag nicht nur die Verantwortung für 20 langjährige und loyale Mitarbeiter und deren Familien, davon sogar einige Familienmitglieder, sondern auch noch die alleinige Verantwortung für meine beiden Töchter, damals 4 und 2 Jahre alt. Meine kleinere Tochter konnte noch gar nicht in den Kindergarten gehen und ich musste schauen, möglichst schnell in die Materie, von der ich wenig Ahnung hatte, reinzukommen. In dieser Zeit nahm ich an vielen Einladungen teil, um durch Präsenz zu zeigen, dass unser Betrieb weitergeführt wird. Ich war hin- und hergerissen zwischen den betrieblichen und wirtschaftlichen Notwendigkeiten und meiner Herzensangelegenheit: meinen Kindern.
Frage MUTmacherinnen: Das Müllergewerbe, so wie ich es wahrnehme, ist doch eher männlich dominiert. Vor 20 Jahren war das wahrscheinlich noch ausgeprägter der Fall. Wie wurde das einerseits in der eigenen Firma aufgenommen, dass es jetzt plötzlich eine Chefin gab? Und wie sind Branchenkollegen damit umgegangen?
In der Firma hatte ich das Riesenglück, einen äußerst loyalen und engagierten Produktionsleiter zu haben, der mich immer unterstützt hat. Ohne ihn, wäre eine Fortführung nicht möglich gewesen. Mein Mann war zu diesem Zeitpunkt Innungsmeister der Müller- und Mischfuttererzeuger in OÖ, daher entsprechend bekannt und ob seines Fachwissens sehr geschätzt. Die Branchenkollegen vereinbarten gemeinsam, mich in allen Belangen zu unterstützen. Ich wurde explizit freundlich eingeladen, mich bei jeder Frage oder Thematik, jederzeit an die Kollegen wenden zu können, teilweise sogar an den Mitbewerb. Dieser Zusammenhalt der gesamten Branche war und ist sicherlich einzigartig. Ein großer Teil meines Freundeskreises besteht aus dieser „Müllerfamilie“, auch mein bester Freund, Unterstützer und Förderer, war ursprünglich ein Freund und Kollege von meinem Mann. Die Müllerbranche ist noch immer männlich, ich war ursprünglich die erste und einzige Frau in ganz Österreich, die ein Mischfutterwerk führt, mittlerweile gibt es eine Kollegin in Salzburg.
Frage MUTmacherinnen: Ihr Betrieb ist ein Familienbetrieb seit 1952. Wie schwer oder leicht haben es familiengeführte Betriebe zur Zeit und wo liegen die größten Herausforderungen?
Ich glaube, dass unsere Branche ein verstaubtes Image hat und nur in der Landwirtschaft bekannt ist. Daher ist es für uns sehr
schwierig, junge engagierte Menschen für diese krisensicheren, abwechslungsreichen und bodenständigen Berufe zu begeistern. Wenn niemand den Lehrberuf: „Verfahrenstechniker in der Getreidewirtschaft“ kennt, wird er ihn auch nicht erlernen wollen. Der Vorteil von kleineren Betrieben besteht allerdings sicherlich dabei, dass es abwechslungsreicher ist und persönlicher Kontakt unkompliziert und ohne Hierarchien jederzeit möglich ist.
Frage MUTmacherinnen: Das Familienunternehmen wurde auf ein reines Biowerk umgestellt. Wie gut wird das angenommen und wie hat sich der Futtermittelsektor generell entwickelt? Gesunde und nachhaltige Ernährung möglichst regional, sind zum Glück nicht mehr nur Schlagworte. Die Landwirtschaft wird immer die Grundnahrungsmittel liefern müssen, leider fehlt dazu oft die Wertschätzung, noch dazu, wenn der Arbeitsplatz in der freien Natur ist. Der Konsument hat jeden Tag die Entscheidung und somit auch die Verantwortung in der Hand, was und wo er einkauft. Transparente und faire Erzeugerpreise müssten ebenso selbstverständlich sein wie ein Verbot zur Spekulation mit lebensnotwendigen Rohstoffen.
Wir Mischfuttererzeuger sind ein wesentlicher Teil der Lebensmittelkette und somit Systemrelevant, wenn es um die Ernährung der Bevölkerung in Österreich geht.
Frage MUTmacherinnen: Wofür haben Sie bis jetzt in Ihrem Leben am meisten MUT gebraucht?
Die Verantwortung für das Unternehmen mit allen handelnden und beteiligten Personen zu übernehmen, ohne selbst zu wissen, ob ich es kann und ob es tatsächlich gut geht. Das ist zwar jetzt 20 Jahre aus aber die täglichen Herausforderungen hören trotzdem niemals auf.
Frage MUTmacherinnen: Sie sind seit Beginn dieses Jahres auch Vorsitzende der Landesstelle OÖ der SVS der Selbständigen und haben mit der Vizepräsidentin der Landwirtschaftskammer Rosemarie Ferstl auch eine weibliche Stellvertreterin. Wie wird sich die weibliche Handschrift in der SVS der Selbständigen bemerkbar machen?
Auch dabei ist OÖ ein Vorreiter: von allen 9 Bundesländern gibt es nur in Oberösterreich ein weibliches Führungsteam bei den Funktionärinnen in der SVS. Wir haben das große Glück, einen kommunikativen, engagierten und emphatischen Direktor zu haben, der uns bei allen „weiblichen“ Ideen tatkräftig unterstützt. Sympathie und Loyalität sind zwar geschlechterunabhängig aber eine wichtige Voraussetzung für eine gute Zusammenarbeit. Rosemarie Ferstl erlebe ich als überaus engagierte Vertreterin aller landwirtschaftlichen Interessen, die mit extremem Fleiß, Ruhe und Fachwissen täglich für die Landwirtinnen und Landwirte im Einsatz ist und somit auch für unsere Versicherten in Oberösterreich.
Frau Göweil, herzlichen Dank für das Gespräch.
21.12.2025 / Foto: Wirtschaftskammer. Interview: Claudia Durchschlag
| Name: Karin Göweil
Familienstatus: verwitwet
Mein Power-Lieblingssong: I will survive, Gloria Gaynor
Meine Lese-Empfehlung für junge Frauen/Menschen: Das Kind in dir muss Heimat finden, Stefanie Stahl
Lebensmotto: Wer will, findet Lösungen, wer nicht will findet Ausreden
Mein Ausgleich: Reisen, kochen, meine Töchter und gute Freunde
Ich in drei Worten: ehrlich (oft zu ….), humorvoll und zuverlässig
Wenn ich einen Tag Frauenministerin wäre: würde ich die Gewerkschaft besuchen und einmal das Grundprinzip der Wirtschaft von der Pike an erklären |